Wespen

Wespen liegt im Süden der Magdeburger Börde und damit im Süden der Norddeutschen Tieflandebene, die hier in die Mittelgebirgsschwelle (Harzvorland) übergeht. Unsere Lage hat erheblichen Einfluss auf die Siedlungsgeschichte gehabt, denn einerseits verfügt die Magdeburger Börde über hervorragende Böden und andererseits über ein für den Ackerbau günstiges Klima, das durch die Nähe zum Harz positiv beeinflusst wird[1].

Will man die Besiedlung in unserem Gebiet erkunden, muss man sich auf eine Reise in die Vergangenheit begeben. Deshalb beginnen wir dort, wo die Voraussetzungen für die guten Siedlungsbedingungen geschaffen wurden: in der letzten Eiszeit.

Durch die Gletscherbewegungen entstand hier eine überwiegend ebene Oberflächenstruktur. Das Schmelzwasser schuf ein Urstromtal, das die Elbe heute zum Abfluss nutzt[2]. Den Untergrund unserer Schwarzerde bildet Löß, den der Wind aus eiszeitlichen Moränen- und Schotterfeldern auswehte und der sich hier ablagerte. Auf diesem fruchtbaren Lößboden bildete sich nach der Eiszeit eine üppige Steppenvegetation. Die Gräser durchwurzelten den Boden und führten über Jahrtausende zur Anreicherung mit Humus[3].

Heute wissen wir, dass die ersten Siedler eine überwiegend waldlose Steppe vorfanden, die „nicht erst mit Beil und Feuer dem Walde in harter Arbeit abgerungen werden musste“. Als weiteren Beweis für diese „Steppentheorie“ wird das Fehlen von Ortsnamen mit dem Zusatz „-rode“ angesehen (Ausnahme: Misrode [wüst] bei Altenweddingen)[4]. Baumbestände entwickelten sich später entlang der Flussauen.

Die ersten Menschen zogen auf der Suche nach Nahrung umher. Sie lebten in transportablen Zelten aus Tierhäuten und benutzen Faustkeile aus Feuerstein. Gejagt wurden verletzte Mammuts, Rentiere und Schneehühner[2].

35.000 Jahre vor Christus (Jungpaläolithikum) lebten die Menschen noch immer vom Sammeln und der Jagd. Sie besaßen bessere Waffen wie Pfeil und Bogen, Wurfspeere und Harpunen. Die verbesserte Jagdtechnik führte zu reichlicherer und regelmäßigerer Ernährung.

Während der quartären Aussterbewelle (vor rund 12.000 Jahren) verschwanden viele große und sehr große Arten der eiszeitlichen Megafauna. Noch heute lässt sich dieses Sterben auch in unserer Gegend durch paläontologische Funde nachweisen, die im 3 km- Umkreis von Wespen gefunden wurden. An dieser Stelle bedanken wir uns bei Angela Müller, für die zur Verfügung gestellten Funde:

Wolf (Canis lupus)
Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis)
Riesenhirsch (Megaloceros giganteus)
Rentier (Rangifer tarandus)
Rothirsch (Cervus elaphus)
Mittelfußknochen
Gelenkknochen
Riesenhirsch (Megaloceros giganteus)
Pferdezähne (Equus ferus)
Mammut (Stoßzahn)
Mammut (Milchzahn)
Mammut (Milchzahn)
Mammut (Backenzahn)
Mammut (Backenzahn)
 
 

Um 8000 vor Christus (Mittelsteinzeit) führte das Ende der Eiszeit zu günstigeren Lebensbedingungen. Die Siedlungen lagen am Wasser. Der Fischfang spielte bei der Ernährung eine wichtige Rolle.

In der Jungsteinzeit (ab 5500 v. Ch.) brachten Einwanderer aus dem Donauraum Ackerbau und Viehzucht mit. Durch ihre typischen Tongefäße (Bandkeramik) kann ihre Verbreitung nachgewiesen werden. Ihre Siedlungen lagen im flachen Gelände. Sie lebten in ca. 40 m langen, rechteckigen Pfostenhäusern. Sie züchteten Schweine, Schafe, Ziegen und Rinder. Auf den Äckern wurde Emmer, Einkorn, Saaterbse, Lein, Gerste und Linse angebaut. Im Raum Barby lassen zahlreiche Funde der Bandkeramik auf Siedlungen schließen. In Wespen ist ein Einzelfund dokumentiert.

Funde von Webgewichten, Spinnwirtel und Gewebeabdrücken auf Keramik aus der mittleren Jungsteinzeit weisen auf die verbesserte Technik der Textilherstellung hin. Im Laufe der Zeit werden im Elbe- Saale- Dreieck verschiedene Kulturen nachgewiesen[2]:

  • Rössener Kultur (4000 v. Ch.); Typisch: Kugelbecher
  • Salzmünder Kultur (3800 v. Ch.); Typisch: versch. Steingeräte
  • Baalberger Kultur (3500 v. Ch.); Typisch: Trichterbecher
  • Walternienburger und Bernburger Kultur (3500 v. Ch.); Typisch: Flachgräberfelder
  • Tiefstichkeramische Kultur (3000 v. Ch.); Typisch: Tiefstichkeramik
  • Kugelamphorenkultur (3000 v. Ch.); Typisch: Kugelamphoren

Um 3000 v. Ch. kann auch in unserer Gegend die Schnurkeramische Kultur vor. Anhand der Grabbeigaben kann eine erste soziale Differenzierung nachgewiesen werden. Durch Schädelfunde lassen sich die für diese Zeit typischen Trepanationen (Schädeloperationen durch Aussägen, Bohren oder Schaben wird der Schädel geöffnet) nachweisen[2].

Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde

Auch die Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde (5 km nördlich von Wespen, Nutzungszeitraum zw. 2.335-2.050 v. Chr.) belegt die frühe Besiedelung unserer Gegend. Es scheint sich um einen bedeutenden Ort für rituelle Handlungen und Totenkult der Glockenbecher- und Aunjetitzer Kultur zu handeln[5].

Um 2400 (späte Jungsteinzeit) bewohnten Menschen der spätjungzeitlichen Kultur die Region. Bei Randau wurde ein Wohnhaus der Schönfelder Kultur ausgegraben. Es misst fast 20 m und besteht aus zwei Gebäudeteilen. Das Hauptgebäude diente als Herd-, Wohn - und Schlafraum. Durch eine Wand abgetrennt wurde ein kleiner Arbeitsraum. Durch eine kleine Tür gelangte man in das angrenzende Gebäude, das als Stall und Vorratsraum diente. Weitere Funde um 2300 v. Ch. verweisen auf die Glockenbecherkultur.

Ab 2300 v. Ch. (Bronzezeit) wanderten im Mittelelbegebiet und im nördlichen Harzvorland die Träger der Aunjetitzer Kultur ein und brachten die Kunst der Bronzeherstellung mit. Der Besitz des begehrten Metalls, das auch als Tauschobjekt diente, verstärkte die soziale Differenzierung. Zahlreiche in unserem Gebiet gefundene Grabbeigaben (Dolche und Beile aus Bronze, Tongefäße) zeugen davon.

Bei Bauarbeiten südlich von Barby, stieß man 2014 auf eine bronzezeitliche Siedlung. Daraufhin führte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle Grabungen durch. Dabei fand man Scherben, Knochennadeln und zwei Skelette, die der Aunjetizer Kultur zugeordnet wurden. Interessant für Wespen ist, dass die Siedlung am damaligen Flusslauf der Saale lag, die zu dieser Zeit (2200-1550 v. Chr.) von Calbe kommend, an Wespen und dem Iritzer Busch vorbei, Richtung Barby führte[6].

Die Menschen der Jastorfkultur (Eisenzeit, ab 600 v. Ch.) waren bereits in der Lage Waffen, Geräte und Schmuck aus Eisen herzustellen. Sie gelten als die ersten germanischen Stämme. Man lebte nach wie vor von Ackerbau und Viehzucht. Es entwickelten sich die ersten Handwerksbetriebe und damit der Handel. Durch den Handel mit römischen Provinzen kam es zu Importfunden wie römischen Gebrauchsgegenständen oder Münzen[2].


Quellen

[1] Blume, E. (1908). Beiträge zur Siedlungskunde der Magdeburger Börde. Halle: C. A. Kaemmerer & Co. S. 18 f.

[2] Geffert, Koch, Kwapulinski, Lindner, Radicke, Schwachenwalde, & Warnecke. (1999). Spurensuche - Von der Völkerwanderung zum heutigen Landkreis Schönebeck. Schönebeck: Kreissparkasse Schönebeck.

[3] Hertel, G. (1899). Wüstungen im Nordthüringau. Halle: Otto Hendel. S. XVIII

[4] Hertel, G. (1899). Wüstungen im Nordthüringau. Halle: Otto Hendel. S. XIX

[5] Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Ausgrabung der Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde (web).

[6] Linßner, T. (17.10.2014). Das Grab hinter dem Haus an der Saale. Volksstimme, S.18

Steinzeitdorf
Wildschweinschädel
Zelt der Altsteinzeit
Keramik
Pfostenhaus der Schönfelder Kultur
Vorraum

 

Die Fotos stammen aus dem Steinzeitdorf in Randau, das sich im Nordwesten von Wespen befindet (ca. 10 km Luftlinie).