Wespen

Johann Andreas Riemer wurde 1750 in Wespen geboren[1]. Sein Vater war Windmüller und starb schon 20 Wochen nach der Geburt des Sohnes. Auch die zweite Ehe seine Mutter war nicht von sehr langer Dauer, da Sie nach knapp sieben Jahren Ehe, erneut Witwe wurde. Mit 10 Jahren kam Riemer zu einer Anverwandten nach Berlin, wo er die Hockersche (?) Realschule besuchte. Anschließend erlernte er das Züchterhandwerk.

Im Jahr 1770 ging er auf Wanderschaft. Es wird berichtet, dass ihn in Neusalz an der Oder das Unglück traf, von einem Hund gebissen worden zu sein. Nachdem er wieder hergestellt war, kam er auf seiner Reise nach Gnadenfrei in Schlesien, wo er sich in die Brüdergemeine der Herrnhuter aufnehmen ließ.

Später, im Jahre 1777, ging er zurück in seine Heimat und erbot sich der Brüder- Gemeine als Missionar an. Das Ersuchen wurde 1778 angenommen und führte zu seiner Aufnahme zu den sogenannten „Pilgercandidaten“. Wenige Monate später erhielt er den Ruf, als Gehilfe der Mission in Gesellschaft einiger dorthin bestimmten Personen nach Südamerika zu reisen. Das Schreiben des Bischofs Spangenberg verheimlicht nicht die Gefahren und Schwierigkeiten, von denen eine Missionsreise begleitet ist und ließ die Annahme oder Abschlagung dieses Rufes ganz in Riemers Hand. Doch dieser blieb bei seinem Vorsatz und kam deshalb von Berlin nach Barby, wo er in Gegenwart der Versammelten Gemeine, den Bischöfen und Ältesten „den Handschlag der Treue“ gab.

Hierauf trat er mit seinen Gefährten am 19. Mai 1779 diese wichtige Reise an und gelangte über Braunschweig, Hannover und Osnabrück nach Holland. Am 3. Juli ging er in Utrecht auf ein sogenanntes „Trekschnit“ (ein kleines Schiff, welches von Pferden oder Menschen gezogen wurde und in Holland auf den Kanälen sehr gebräuchlich war) und kam nach Amsterdam. Nachdem hier alles, was die gefahrvolle Reise erforderte, sorgsam und pünktlich besorgt worden war, wurde das Gepäck eingeschifft und bald befand sich Riemer auf den unsicheren Wellen des oft so stürmischen Meeres[2]

Die Niederländer besaßen im 17. Jh. mehrere Kolonien im Norden Südamerikas, welche (ab 1674) als Niederländisch-Guayana bezeichnet wurden und heute den Staaten Suriname und Guyana entsprechen[3]. Ab 1734 bemühte sich die Herrnhuter Brüdergemeine um den Aufbau einer Mission in Suriname zwecks „Bekehrung der dortigen Heiden[4]“.

Zu dieser Zeit setzte sich die dortige Bevölkerung wie folgt zusammen:

Zu Beginn waren die Zeiten sehr beschwerlich. Die Brüder mussten sich selbst versorgen, sodass ihnen die harte Arbeit kaum Zeit ließ, sich mit dem eigentlichen Ziel ihrer Missionsreise zu befassen. Am Anfang der Missionierung konzentrierten sie sich dann auf die Bekehrung der Arawacken, später auf die Missionierung der Kreolen und Maroons. In allen Fällen stellten sich die Sprachunterschiede als größtes Problem heraus, weshalb man zuerst die Sprache studieren musste.

Einbaumkanus in einem Dorf der Maroons am Surinamfluss (1955).

Einbaumkanus in einem Dorf der Maroons am Surinamfluss (1955). Bildnachweis: John Hill, en.wikipedia.org

Im August 1779 erreichte Johann Andreas Riemer Paramaribo. Von September bis November hielt er sich in Bambey, einer Siedlung südlich von Paramaribo auf. Dort lebte er unter den Maroons um ihre Sprache zu erforschen. Nach krankheitsbedingtem Aufenthalt in Paramaribo, hielt er sich nochmals von Januar bis März 1780 in Bambey auf.

In dieser Zeit arbeitete er an einem Wörterbuch des Saramakkischen (1779). Dabei konnte er sich auf ein früheres Wörterbuch seines Glaubensbruders Christian L. Schumann aus dem Jahre 1778 stützen. Riemer fügte diesem eine grammatikalische Beschreibung der Sprache bei. Dies ist die wahrscheinlich erste grammatische Beschreibung einer romanischen Kreolensprache. Es folgt ein Auszug[5]:

Von den adjectivis ist sonst nichts zu mercken, als dieses: wenn ein adjectivum, ohne ein ausdrücklich dazu gesetztes Supstantivum steht, so hängt man allemal das Wörtlein wan an, wenn in Teutschen ein od. der davor steht; u. sanni, wenn etwas davor steht,
Z.E.
wan trangawan, ein starcker, Mann eine starcke Frau
ein hartes Holz wan trangasanni; etwas hartes
da trangawan, der starcke, die starcke, das starcke;

 

Im Juni 1780 verließ er Südamerika in Richtung Europa. Später wurde eine Beschreibung seiner Reise nach Suriname und Barbice veröffentlicht (Zittau, Leipzig. 1801). Riemer war zuletzt "Rathscopist" in Zittau. In der Leipziger Zeitung vom 4. März erinnert ein Nachruf an seinen Tod am 21. Februar 1816 [6]:

Am 21sten d. M. früh gegen 7 Uhr vollendete mein guter Vater, Hr. Johann Andreas Riemer, gewesener emeritirter Rathscopist allhier, in seinem 66sten Jahre seine irdische Laufbahn. Tiefgebeugt mache ich diesen schmerzlichen Verlust allen entfernten Freunden und Verwandten bekannt.
Zittau, den 23sten Feb. 1816


[1] Geffert, Koch, Kwapulinski, Lindner, Radicke, Schwachenwalde, & Warnecke. (1999). Spurensuche - Von der Völkerwanderung zum heutigen Landkreis Schönebeck. Schönebeck: Kreissparkasse Schönebeck., S.87

[2] Wespener Chronik. (1990). Wespen.

[3] Niederländisch-Guayana. (26. 09 2014). Von de.wikipedia.org: Niederländisch-Guayana abgerufen

[4]  Risler, J. (1803). Erzählungen aus der alten und neuen Geschichte der Brüderkirche. Barby: Conrad Schilling, S. 593

[5] Perl, M., & Arends, J. (1995). Early Suriname Creole Texts. Frankfurt und Madrid: Bibliotheca Ibero-Americana, S. 247, 370